Wir können unser Gehirn mit einer großen Stadt vergleichen und die Wahrnehmungsprozesse mit dem Straßenverkehr in dieser Stadt. Gute Verarbeitung der Sinneswahrnehmung ermöglicht allen Nervenimpulsen unbehindert abzulaufen und ihr Bestimmungsziel rasch zu erreichen. Störungen der sensorischen Integration ergeben eine Art Verkehrschaos im Gehirn. Einige der sensorischen Informationen werden durch den Verkehr aufgehalten und erreichen nicht die entsprechenden Hirnpartien, welche die Informationen aber brauchen, um ihre Arbeit verrichten zu können. Die Informationen können dann nicht verarbeitet und integriert werden. Vielleicht sind auch noch dafür gar keine Muster, keine netzartigen Verbindungen, keine Straßennetze durch Bewegungsmuster und Wahrnehmungserfahrungen gebildet worden. Auf jeden Fall ähnelt dieser Zustand einer ständigen Rush Hour im Kopf unserer Kinder.
Bewegung ermöglicht dem Kind erst eine Auseinandersetzung mit sich und seiner Welt in der es lebt!
Das Kind gewinnt Erkenntnisse, bekommt verschiedene Eindrücke, es macht Erfahrungen in all diesen Bereichen. Und diese Erfahrungen sind Nahrung für unser Gehirn. Das Gehirn braucht diese Erfahrungen um sich zu Differenzieren, dh zur neuronalen Vernetzung. (Verbindung beider GEHIRNHÄLFTEN, wie es beispielsweise beim Krabbeln geschieht) Die Bahnen in unserem Gehirn, im gesamten zentralen Nervensystem müssen erst gebildet werden. Neuronen sind von Geburt an angelegt, aber die einzelnen Verbindungen und Verästelungen werden erst gebildet – durch die verschiedenen Bewegungserfahrungen. Und je ausgeprägter diese Verästelung, natürlich desto besser.
Man kann also sagen, dass motorische Fähigkeiten den höheren, kognitiven, also geistigen Fähigkeiten vorausgehen. Erst wenn durch die Bewegung die Bahnen im Gehirn gelegt wurden, ist die kognitive Verarbeitung und Integration erst möglich. Orientierung im Raum macht eine Orientierung im Zahlenraum erst möglich. Doch ich kann mich erst im Raum orientieren, wenn ich gelernt habe, mich an meinem Körper zu orientieren. Rechnen bedeutet operieren mit Vorstellungen, die ich körperlich erfahren habe.
Ob es sich bei einem Buchstaben um ein b oder ein d,p oder q handelt, kann man nur über seine Lage im Raum erkennen (Raum-Lage Orientierung). Kinder benötigen hierfür eine differenzierte Raumwahrnehmung.
Orientierung am eigenen Körper muss der räumlichen Orientierung vorausgehen. Körperorientierung, Körperbewusstsein entwickelt sich wiederum durch Bewegung und Wahrnehmung.
Bei den Fächern Lesen Schreiben Rechnen handelt es sich um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen. Das Gehirn arbeitet nicht als isoliertes System… Alle Wahrnehmungsorgane sind am Lernprozess beteiligt.
Bewegungs- und Wahrnehmungserfahrungen sind der Motor der Entwicklung und gleichzeitig die Basis des Lernens.
Durch eigenes Handeln und in der Auseinandersetzung mit Gegenständen, Gegebenheiten und Objekten seiner Umwelt gewinnt das Kind kontinuierlich neue Erkenntnisse und Erfahrungen, die zur Weiterentwicklung seines Wahrnehmungssystems beitragen.
Man kann sich das in etwa wie den Bau eines Hauses vorstellen. Das Fundament bilden unsere Sinne durch die wir über verschiedenen Bewegungen zu den notwendigen Wahrnehmungserfahrungen kommen….. Doch nicht immer gelingt es all diese Erfahrungen in ausreichendem Maß zu machen. Dann kann es zu Problemen kommen:
Kinder die sehr tollpatschig sind – Elefanten im Porzellanladen:
Ihrem körperlichen Handlungsrepertoire fehlt das Selbstverständliche. Sie müssen sich sehr stark auf ihr Bewegungshandeln konzentrieren, ansonsten kommt es zum Porzellanladeneffekt. Die kleinen Elefanten sehen was sie anrichten, aber sie könne nicht anders – und sie leiden darunter.
Was macht das Selbstverständliche unserer Handlungen aus? Wie schaffen sie es mir zuzuhören ohne sich darauf konzentrieren zu müssen, was ihr Körper gerade tut? Sie haben es gelernt. Sie verfügen über ein inneres Bild ihres Körpers, von Größe, Gewicht, seinem Ausmaß und den Körperteilen zueinander. Dies ermöglicht es, unsere Bewegungen automatisch und flexibel den jeweiligen Bedingungen anzupassen. Dazu ist ein optimales Zusammenspiel aller Informationen notwendig, die uns unsere Sinne liefern.
Wir sind bei jeder Bewegung darauf angewiesen, bemerken es aber nur selten. Die Grundlage dafür bilden die vielfältigen Bewegungserfahrungen, die wir als Kind gesammelt haben. Sie ermöglicht uns, ein Gefühl für Größe, Gewicht, Grenze und Ausmaß des Körpers und seiner Teile zueinander auszubilden.
Probleme in der Figur-Grund-Wahrnehmung:
Aus der Vielzahl der auf unser Auge einströmenden Reize werden diejenigen ausgewählt, die unsere Aufmerksamkeit erregen. Die ausgewählten Reize bilden die Figur innerhalb unseres Wahrnehmungsfeldes, die anderen – unwichtigen Reize – bilden den nur ungenau wahrgenommenen Hintergrund. Das Zentrum der Aufmerksamkeit richtet sich auf die sogenannte Figur. Bei Störungen, die sich äußerlich durch Unkonzentriertheit und Unaufmerksamkeit manifestieren, gelingt die Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Reizen nicht.
Aber – Kinder wachsen in einer sinnesfeindlichen Umwelt auf. In unserer „verkopften“ Gesellschaft verschwindet das körperliche, sinnliche Erleben immer mehr und besteht schon bei Kindern die Gefahr, dass ihre sinnliche Wahrnehmung sich vorwiegend auf das Sehen und Hören reduziert.
Alle Sinnesorgane brauchen jedoch Anregungen, um zu funktionieren. Sie brauchen Training, um sich weiterentwickeln zu können. Sie müssen benutzt werden, um nicht zu verkümmern. Selbst das Sehen und Hören bleibt diffus, wenn nicht auch andere Sinne an der Informationsgewinnung beteiligt sind. Und je mehr Sinne bei der Informationsgewinnung beteiligt waren, desto unmittelbarer und nachhaltiger wirken solche Erfahrungen. Erfahrungen müssen aus der Lebenswirklichkeit der Kinder stammen, „körpernah“ sein. Je mehr der eigene Körper Mittler der Erfahrungsgewinnung ist und je mehr Erkenntnisse mit Hilfe der Sinne erworben werden, um so stärker empfinden Kinder sie als unmittelbar zu ihnen gehörend, selbst gesteuert und auch selbst bestimmt.